Lengerich
Die alte Burg zu Lengerich
Am 8. Mai 1269 (1) tauschte der Edelherr Ritter Bernhard v. Ahaus mit Einwilligung seiner Mutter und seiner Frau seinen Hof zu Lengerich mit der Eigenkirche, dem Kirchengut, freier Jagd, Fischerei, Gerichtshoheit, Wiesen und bebautem und unbebautem Land mit dem Abt des Klosters Werden gegen einen Hof mit gleichem Zubehör und dem Erbe Tye in Laer im jetzigen Kreis Steinfurt ein. Zu dem Tausch war er durch mancherlei Überfälle, Beunruhigungen und Brände auf seinem Hofe veranlaßt worden. In der Urkunde gibt er an, daß schon seine Vorfahren den Hof mit den Gerechtigkeiten im Besitz gehabt hätten. Diese ausgedehnten Gerechtigkeiten, besonders die Eigenkirche und die Gerichtsbarkeit berechtigen zu dem Schluß, daß der Hof zu Lengerich ein alter Edelherrensitz gewesen ist, der vielleicht durch Heirat an die Herren v. Ahaus gekommen war. Da auch die Einwilligung von Bernhards Mutter bei dem Tausch eingeholt wurde, stammt er möglicherweise aus deren Mitgift.
Das hohe Alter des Hofes wird noch auf andere Weise bezeugt. Zu ihm gehörten Ackerstücke auf allen Eschen der Bauerschaft Lengerich, die im Gemenge mit denen der übrigen Ursiedler lagen, diese aber an Größe übertrafen, ohne sie zu beengen. Der Umfang des Hofes betrug etwa das Zwei- bis Dreifache eines Vollerbes. Von ihm konnte die übliche Hufe von etwa 20 Morgen als Kirchengut abgegeben werden, ohne ihn wesentlich zu verkleinern. Die Anlage des Hofes muß also in der Zeit der ersten Landnahme, zum mindesten in altsächsischer Zeit erfolgt sein. Neugründungen in fränkischer Zeit wurden zumeist nicht inmitten der Altsiedlungen, sondern in der freien Mark vorgenommen, wo Raum für ein ausgedehnteres Gut vorhanden war. Die größere Zuteilung von Ackerstücken bei der Besiedlung weist auf eine bevorzugte Stellung der Besitzer des Hofes hin. Auch die eigentliche Hovesaat des Hofes übertraf die der umliegenden Erben, so daß sich auf ihr neben dem Herrenhaus und der Kirche mit dem Kirchhof auch die Ortschaft Lengerich entwickeln konnte.
Noch ein anderer Umstand verdient erwähnt zu werden. Von dem Herrenhaus führt an der Kirche vorbei der in gerader Richtung weiter verlaufende, aus vorgeschichtlicher Zeit stammende Sallerweg zu einer die Wallage genannten Erhöhung, auf der sich eine Steinsetzung aus drei Findlingen befand, die in der Volksüberlieferung als alte Gerichtsstätte bezeichnet wurde. Am Sallerweg konnte ein bedeutendes Gräberfeld aus altsächsischer Zeit aufgedeckt werden. Wir haben hier also den so charakteristischen Zusammenhang von Edelhof, Gerichtsplatz bzw. Heiligtum und Grabstätte. Unter den drei Steinen wurde im Jahre 1847 der bekannte, jetzt im Landesmuseum in Hannover befindliche Lengericher Schatzfund gemacht. Unter dem mittleren größeren Stein fanden sich goldene Schmucksachen, und zwar eine Fibel, 3 Fingeringe in Form von Siegelringen, 1 spiralförmiger Fingerring, 2 massive offene Armspangen, 4 Knöpfe und 10 Goldmünzen des Kaisers Konstantin des Großen und seiner Söhne, der Zeit nach also etwa von 306-360 n.Chr. Ein goldener Halsschmuck und eine Anzahl Münzen wurden leider bald nach der Auffindung eingeschmolzen. Unter dem einen der beiden kleineren Steine lagen 70 Silbermünzen des Gegenkaisers Magnentius (350-353 n. Chr.), unter dem anderen 1100 römische Silbermünzen der Kaiser Trajan bis Septimius Severus (98-211 n. Chr.). Ob dieser Schatz, der aus zwei verschiedenen, etwa 150 Jahre auseinander liegenden Zeiten stammen muß, als Belohnung oder Kriegsbeute eines sächsischen Herren im Dienste der genannten Kaiser oder durch Handelsbeziehungen ins Land gekommen ist, wird sich kaum klären lassen. Der römische Schriftsteller Josimus erwähnt, daß im Heere des Magnentius sächsische Hilfstruppen gewesen wären.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß er dereinst als Weihegabe unter den Steinen vergraben wurde, möglicherweise von den Besitzern des Lengericher Hofes, die als Häuptlinge vielleicht auch priesterliche Funktionen ausübten.
Der Hof zu Lengerich wurde später als Salhof bezeichnet. Wenn wir dieses Wort von dem gotischen saljan = wohnen, dem isländischen salo = Wohngebäude, großes Zimmer und dem althochdeutschen sal = Gebäude, Söller, großes Haus herleiten, ergibt sich auch hieraus seine bevorzugte Stellung.
Es dürfte demnach hier der seltene Fall vorliegen, wo wir einen Rittersitz auf einen Edelhof aus grauer Vorzeit zurückführen können. In seinem Schutz ist später das christliche Gotteshaus errichtet worden.
Wenn der Edelherr Bernhard v. Ahaus auf den Hof zu Lengerich keinen besonderen Wert legte, vielleicht weil er ihn wegen der großen Entfernung von seinem Wohnsitz Ahaus nur schwer schützen konnte, so war sein Besitz für das Kloster Werden von erheblicher Bedeutung, da es von Alters her im Kirchspiel Lengerich eine größere Zahl ihm pflichtiger Höfe innehatte, die durch den Salhof besser geschützt und beaufsichtigt werden konnten. Sie wurden dem Salhof als sogenannte Abtsfreie unterstellt.
In der Tauschurkunde vom 8. Mai 1269 werden unter den ritterlichen Zeugen nach dem Edelherrn Conrad v. Velen an erster Stelle die Brüder Ludolf und Ludwig v. Hake, unter den Knappen an erster Stelle Ludwigs Sohn Hermann aufgeführt. Dieser Umstand berechtigt vielleicht den Schluß, daß die Herren v. Hake schon damals gewisse Rechte an dem Hof gehabt haben werden. Jedenfalls belehnt der Abt von Werden sie jetzt pachtweise mit dem Hof zu Lengerich und zwar derart, daß jedesmal 2 Personen die Belehnung empfangen und außer den Auffahrtsgeldern eine jährliche Pacht von 8 Mark und 3 Schillingen entrichtet werden sollten. Dieses lehnbare Pachtverhältnis hat bis zur Allodifikation im 19. Jahrhundert bestanden.
Die Herren v. Hake gehörten der alten Burgmannschaft der Osnabrücker Stiftsburg Iburg an, unter welcher der Ritter Hermann v. Hake, der Vater der obengenannten Brüder, 1225 bis 1261 aufgeführt wird. Von diesen war Ludolf Drost des Bischofs von Osnabrück, seine Nachkommen gelangten 1365 in den Besitz der bei Iburg gelegenen Burg Scheventorf und gründeten hier eine eigene Linie ihres Geschlechtes. Ludwig kommt 1259 als Holzrichter der Ruller Mark als Nachfolger seines Vaters Hermann und 1270 als Schiedsrichter in Iburg vor. Sein Sohn und Erbe Hermann wird 1305 als Burgmann zu Iburg erwähnt. Dessen Nachfolger, der mit Jutta vermählte Ritter Ludolf v. Hake genannt v. Iburg, stellte 1315 dem Abt zu Werden einen Revers aus über den mehr als 30jährigen Rückstand der Pacht durch seinen Vater, die infolge Meinungsverschiedenheiten mit dessen Bruder Ludolf nicht entrichtet worden wäre, und versprach deren Nachzahlung. Ihm folgte sein mit Else vermählter Sohn Gerd und diesem sein Sohn Johann, der vom Abt von Werden 1380 mit dem Hof zu Lengerich belehnt wurde und bei dieser Gelegenheit mit der Bezeichnung «van der Vorstenouwe» genannt wird, also wohl auf der Osnabrücker Stiftsburg Fürstenau wohnhaft oder dort Burgmann war. Ihn beerbten seine 1394 belehnten Söhne Lüdeke und Reiner, von denen sich jener mit Sophie v. Knehem vermählte. Nach seinem Tode versuchte sein Schwager Boldewin v. Knehem zu Sögeln, der Vormund seiner Kinder wurde, Lengerich an sich zu bringen. Der Abt zu Werden protestierte jedoch hiergegen unter Androhung einer Strafe von 1000 Rheinischen Goldgulden und der Exkommunikation und ließ das Dekret hierüber während der Synode an den Domtüren in Osnabrück anschlagen. Knehem verzichtete daraufhin am 30. Mai 1423 zugunsten von Lüdekes Kindern Hermann, Jutta und Sophie auf das Gut.
Hermann wird 1420 anläßlich der Ausstellung eines Schuldscheines als zu Lengerich wohnhaft erwähnt. Mit seiner Gattin Hille und seinem Sohn Lüdeke verkaufte er am 2. September 1434 der Kirche zu Lengerich den halben Kirchenkamp auf der Westseite nach dem Gherstesch zu, 1435 wurde der Kirche die andere Hälfte verkauft. 1434 trat er als Erbexe der Bauerschaft Lengerich auf. Am 25. November 1437 bezeugte er die mit seiner Unterstützung durch die Lengericher Bauernfamilie Völkers erfolgte Stiftung einer Vikarie in der Kirche zu Lengerich, wobei er den Grund für die Wohnung des Geistlichen auf seinem freien Sundern hergab. Einen Speicher oder ein Lehmhaus auf dem Kirchhof, den seine Vorfahren erbaut hatten, und eine Scheune veräußerte er am 25. Januar 1439 für 24 rheinische Gulden an die Kirche. 1442 wurden er und sein Sohn Lüdeke mit dem Hof zu Lengerich belehnt.
Lüdeke, der bei den meisten Rechtshandlungen seines Vaters mit diesem zusammen genannt wird, erhielt 1462 die Belehnung mit Lengerich. Es wurde dabei zur Bedingung gemacht, daß er jährlich auf Martini acht münstersche Mark Pacht geben und bei Strafe des Heimfalles des Gutes damit nicht rückständig bleiben und nichts verkaufen oder verpfänden dürfe. Was sein Vater verpfändet hätte, solle er mit allen Mitteln zurückgewinnen, wobei ihn der Abt unterstützen wollte. Als echter Holzgraf der Lengericher und Handruper Mark übertrug Lüdeke der Kirche 1472 ein Stück Markenland und schenkte ihr 1478 einen Acker zu seinem und seiner Eltern Seelenheil. In einer Urkunde vom 15. Februar 1490 wird er anläßlich einer Belehnung als «wonachtig to Lengerke» bezeichnet. 1499 wurde er zu einem Lehnsgericht nach Werden vorgeladen.
Lüdeke hinterließ eine Tochter Anna, die Lengerich, das um diese Zeit auch Hakenburg genannt wurde, ihrem Gemahl Goddert v. Heek, Burgmann zu Nienburg, zubrachte. Dieser wurde im Jahre 1500 mit dem Gut belehnt, sein Sohn und Erbe Hake v. Heek erhielt 1533 die Belehnung. Beide hatten ihren Wohnsitz auf dem Gute.
Goddert hatte viel unter den Übergriffen des Grafen Claus von Tecklenburg zu leiden, der um diese Zeit durch Straßenraub und Gewalttätigkeiten das gesamte Emsland beunruhigte. So beklagte er sich 1521 beim Abt, daß der Graf während seiner Abwesenheit seine Frau mit Scheltworten belegt, in seinem freien Sundem gejagt und seine Hofesleute gefangen gesetzt und beraubt hätte. Während der Besitzzeit Hakes v. Heek setzte Graf Conrad von Tecklenburg diese Übergriffe fort. In dem Bestreben, das Land dem lutherischen Glauben zuzuführen, vergab er die Pfarre in Lengerich nach seinem Gutdünken, ließ das dem Gute zustehende Holzgericht durch seine eigenen Richter ausüben, die Gärten im Dorfe durch seine Vögte und Diener benutzen und die abtfreien Hofesleute mit Steuern belegen. Auch versuchte er, allerdings vergeblich, durch Vermittlung des Abtes von Iburg das Gut käuflich an sich zu bringen. Er vertrieb auch den Hake v. Heek, doch wurde dieser, als Kaiser Karl V. Herr der Grafschaft Lingen geworden war, am 9. Juli 1548 von dessen Statthalter Maximilian v. Egmont, Graf v. Büren, wieder in seinen Besitz eingesetzt.
Hake v. Heek hatte sich 1516 mit Elisabeth v. Cappel zu Wallenbrück vermählt. Die Ehe blieb kinderlos. Nach seinem Tode um 1558 betrachtete das Kloster Werden Lengerich als heimgefallen. Es versuchte, das Gut wieder an sich zu bringen und es in eigene Bewirtschaftung zu nehmen. Nun hatte Hake v. Heek eine Schwester Anna, die sich 1526 mit Diedrich v. Tork zu Vornhelm vermählt hatte. Dessen Sohn Rutger v. Tork setzte sich als rechtmäßiger Blutsnachkomme der Heeks in den Besitz des Gutes. Ein sich von 1558-1565 hinziehender Prozeß endete schließlich damit, daß ihm und seiner Gattin Agnes v. Asbeck, Erbin zu Asbeck und Nienburg, mit der er sich am 20. Februar 1556 vermählt hatte, Lengerich im Jahre 1565 vom Abt gegen eine jährliche Abgabe von 25 Talern zugesprochen wurde. Weil dieser aber durch die Streitigkeiten großen Schaden erlitten zu haben angab, mußte Tork ihm 1900 Taler Entschädigung neben einer Verehrung von 100 Goldgulden für den Abt und 100 Talern für das Kapitel auszahlen. In dem Behändigungsbrief behielt sich jedoch der Abt das Patronatsrecht über die Kirche, das früher von den Herren v. Hake ausgeübt worden war, ausdrücklich vor, wohl deshalb, weil er der Ansicht sein mochte, in den Religionswirren jener Zeit dadurch den katholischen Glauben besser schützen zu können.
Rutger v. Tork hat anscheinend zu Lengerich neue Befestigungen angelegt, im Jahre 1579 war das Gut mit Graben, Wällen, Türmen und Toren bewehrt. Der Abt erteilte ihm daraufhin einen Verweis, daß er zu Lengerich eigenmächtig Schlösser baue. Rutger mochte allerdings begründete Veranlassung haben, seinen Sitz zu schützen. Die Lengericher Gegend hatte in den beiden niederländisch-spanischen Kriegen sehr zu leiden. 1558 hatte sich Kriegsvolk dort eingestellt, die Bevölkerung mißhandelt und ihr selbst die Kleider weggenommen. 1579 plünderte der holländische Kommandant v. Kurzbach im Lingenschen. Er wohnte auf Lengerich. In seinem Zimmer hatte er einige Tönnchen mit Schießpulver stehen. Diese entzündeten sich, der Überlieferung nach bei dem Aufbrechen eines Schrankes. Durch die Explosion wurde der Körper des Kurzbach aus dem Fenster geschleudert und zerschellte an einem Baum. Das Volk sah darin eine Strafe Gottes für seine Habsucht und Grausamkeit.
Rutger v. Tork hatte aus seiner ersten Ehe mit Agnes v. Asbeck u. a. die Söhne Johann Asbeck und Johann, denen 1593 die Belehnung mit Lengerich erteilt wurde. Die Auffahrt wurde dabei auf 100 Reichstaler festgesetzt. Johann übernahm 1596 das Gut. Er vermählte sich am 10. August 1613 mit Anna Magdalene v. Reede zu Brandlecht. Der Kirche zu Lengerich hatte er 1607 einen Altar geschenkt, später stiftete das Paar Beträge für die Armen, für Ausstattung der Kirche und für Seelenmessen, die an ihren Sterbetagen gehalten werden sollten. Johann starb am 5. Juli 1638 im Alter von 80 Jahren, nachdem seine Frau schon am 9. Juli 1632 verschieden war. Beider Grabsteine befinden sich vor dem Chor der dortigen Kirche. Die Ehe war kinderlos geblieben. Der Abt hatte wiederum versucht, Lengerich als heimgefallenes Lehen einzuziehen, aber den Prozeß verloren. Johann hatte daraufhin am 12. Februar 1638 das Gut seiner Nichte Elisabeth v. Tork, der Tochter seines oben erwähnten Bruders Johann Asbeck, und deren Gemahl Friedrich Wilhelm v. Reede a.d.H. Brandlecht, mit dem sie sich am
13. September 1637 verheiratet hatte, übertragen aus Dankbarkeit für die Unterstützung, die dieser ihm bei dem Prozeß mit dem Abt hatte zuteil werden lassen. Friedrich Wilhelm starb schon nach knapp zweijähriger Ehe am
16. März 1639. Seine Witwe vermachte am
8. Februar 1641 der Kirche und den Armen zu Lengerich ein Kapital von 380 Talern. Als während der oranischen Herrschaft die Ausübung des katholischen Gottesdienstes in der Grafschaft Lingen untersagt war, ließ sie den von ihrem Oheim geschenkten Altar aus der reformiert gewordenen Lengericher Kirche in den Saal des Gutshauses bringen, wo dann heimlich Gottesdienst gehalten wurde. In ihrem Testament vom 21. Dezember 1662 stiftete sie eine Vikarie für die Kirche zu Lengerich, die schon ihr Mann zu stiften willens gewesen wäre, und dotierte sie mit einer jährlichen Einnahme von 173 Talern aus einem bei der münsterschen Pfennigkammer ausstehenden Kapital. Der Vikar mußte am Todestag der Stifter ein Totenamt halten und alle Sonn- und Festtage zwei Messen für die Wohlfahrt ihrer Nachkommen lesen. Elisabeth starb am 1. November 1669 und wurde vor dem Chor der Lengericher Kirche begraben, wo sich ihr und ihres Gatten Grabsteine befinden.
Erbin von Lengerich wurde ihre Tochter Wilhelmine Friederike Ursula, die sich am 24. November 1654 mit ihrem Vetter, dem früheren münsterschen Domherrn Johann Friedrich v. Reede zu Brandlecht vermählt hatte, wodurch diese beiden Güter in einer Hand vereinigt wurden.
Die Geschichte Lengerichs ist hinsichtlich der Besitzerfolge fortan die gleiche wie die Brandlechts. Wilhelmine Friederike Ursula war 1641 mit ihrer Mutter mit Lengerich belehnt worden. Nach deren Tode wurde sie 1670, da ihr Mann bereits verstorben war, zusammen mit ihrem noch minderjährigen ältesten Sohn Heinrich Emanuel behandet, der 1673 nach dem Ableben seiner Mutter gemeinsam mit seinem Bruder Wilhelm Bernhard Ernst, dem späteren Fürsthochmeister des Johanniterordens in Heitersheim belehnt wurde. Heinrich Emanuel starb schon um 1679, worauf seine Güter auf seinen jüngsten Bruder Johann Albert Friedrich übergingen. Dessen Ehe mit Anna Marie Christine v. Westerholt blieb kinderlos. In seinem Testament vom 7. September 1715 setzte er zu Erben ein seine Schwestern Isabella Dorothea v. Reede, die Stiftsdame zu Notteln war, und Amalie Sybille Elisabeth, die Witwe Bernhard Johanns v. Schenking, Frei und Edle Frau v. Büren und Ringelstein zu Bevern und Haselünne, bzw. deren Töchter Elisabeth Therese und Marie Antoinette Gaudentia, Gattin des münsterschen Erbdrosten Maximilian Heidenreich Freiherrn Droste zu Vischering. Als jedoch die Witwe v. Schenking 1716 um die Behandung nachsuchte, verweigerte der Abt von Werden die Annahme des Auffahrtsgeldes, da er Lengerich als heimgefallenes Lehen betrachte. Ein dieserhalb von der Witwe und ihrem Sohn Adolf Heidenreich Droste zu Vischering angestrengter Prozeß wurde erst am 28. Juni 1756 durch Vergleich zwischen dem Abt und Adolf Heidenreichs gleichnamigem Sohn beigelegt. Danach mußten wie bisher zwei Personen mit dem Gut behandet werden, die jede 100 Taler Auffahrt, 6 Taler Lehnsgebühren und 2 Taler für den Mutschein zu entrichten hatten. Das jährliche Pachtgeld von
25 Talern blieb bestehen. Es war also seit 1593 nicht erhöht worden, obwohl das Gut 1756 einen Wert von 30000 Talern und einen Reinertrag von 1500 Talern hatte. Die Pachtgelder von 1715-1755 mußten in Höhe von 1025 und die Gebühren des Lehnsgerichtes in Höhe von 150 Talern erstattet werden. Fruchttragende Eichen durften auf Lengerich nicht gefällt werden. Der am 17. Januar 1565 mit Rutger v. Tork und dem Abt geschlossene Vertrag und die von den Vorbesitzern wegen der Lengericher Hofesleute getroffenen Abmachungen sollten ihre Gültigkeit behalten. Es wurden an diesem Tage belehnt der kurkölnische und bischöflich münstersche Geheime Rat und Drost zu Horstmar und Ahaus Adolf Heidenreich Droste zu Vischering und sein Sohn Clemens August Maria. Nach dessen Absterben erhielt sein Enkel Adolf Bernhard Heidenreich v. Droste am 26. November 1776 die Belehnung zur zweiten Hand.
Die von der Witwe Elisabeth v. Reede geb. v. Tork am 21. Dezember 1662 gestiftete Vikarie war nicht zur Ausführung gekommen, da die Lengericher Kirche reformiert blieb, das Stiftungskapital war verloren gegangen. Amalie Sybille Elisabeth v. Schenking geb. v. Reede erneuerte die Stiftung im Jahre 1728 mit einem Kapital von 2883 Talern. Die Vikarie sollte mit einem Altar in Haselünne verbunden bleiben, bis Lengerich eine eigene katholische Kirche haben würde.
Das Lengericher Herrenhaus ist nach dem 1715 erfolgten Tode des Johann Albrecht v. Reede kaum noch von seinen Besitzern bewohnt worden, es diente zeitweilig als Wohnung des Verwalters und des Geistlichen. Zusammen mit der Kirche, dem ummauerten Kirchhof und den auf diesem stehenden Speichern hatte es im Mittelalter einen Teil der Kirchenburg gebildet. Es wurde in den Jahren
1792-93 niedergelegt, die es umgebenden doppelten Gräften großenteils eingeebnet. Beim Abbruch wird die Burg beschrieben als ein massives, antikes, zweistöckiges Gebäude, das von einem breiten Binnengraben, Wall und Außengraben umgeben war. Vor dem Hause war ein geräumiger Platz, der von einer hohen, mit Schießscharten versehenen Mauer und einem festen Pforthaus abgeschlossen wurde. Von der Burg wurde 1830 von dem Vikar Christian Völkers in Lengerich aus dem Gedächtnis eine Abbildung gefertigt, die sich jetzt in Schloß Darfeld befindet.
Die alten Gerechtigkeiten des Gutes Lengerich sind bei der Übertragung im Jahre 1269 aufgeführt. Während der Streitigkeiten mit den Grafen von Tecklenburg spricht der Abt 1547 von seinem kaiserlich freien Sadelhof mit Herrlichkeiten, Gerechtigkeiten, Gericht, Wildbann, Markengerechtigkeiten, Fischerei, Wedem = Kirchengut und Kirche. Die Gerichtshoheit, die in der Urkunde von 1269 erwähnt wird, muß bald verloren gegangen sein, lediglich das Holzgericht über die Lengericher und Handruper Mark, das auch 1517 von der Landesregierung anerkannt worden war, verblieb dem Gut; das ursprünglich ihm anhaftende Patronat über die Eigenkirche, die möglicherweise bei dem Neubau um 1480 Pfarrkirche geworden war, wurde, wie bereits erwähnt, später von dem Abt von Werden in Anspruch genommen. Lengerich besaß die Landtagsfähigkeit und Jagdgerechtigkeit im ganzen Kirchspiel Lengerich und der Bauerschaft Andervenne im Kirchspiel Freren.
Die Größe des Gutes wird bei der Landvermessung im Jahre 1680 mit 285 Scheffelsaat Ackerland, 219 Scheffelsaat Wiesen und 65½ Scheffelsaat Wald und Weide angegeben. Die jetzige Größe beträgt 125 ha.
Im Jahre 1550 gehörten zum Gute Lengerich 25 abgabepflichtige Höfe. Sie unterschieden sich in solche, die nach Ritterrecht eigenbehörig waren, und in die sogenannten Abtfreien. Diese waren ursprünglich freie Bauern, die sich in den Schutz des Klosters Werden begeben hatten und dafür eine geringe Abgabe bezahlten. Sie werden erst nach 1269 dem Gute zugeteilt worden sein. Die Abtfreien galten als freigeboren, nicht als eigenbehörig, wenngleich von den Besitzern des Gutes wiederholt versucht worden ist, sie hierzu herabzudrücken. In ihren rechtlichen Verhältnissen zum Gute Lengerich hatten sie eine Berufungsinstanz an das Werdensche Obergericht des Sadelhofes Barkhausen. Hier wurde am 7. Juli 1565 eine Sate für die Lengericher Abtfreien ausgestellt, die ihre Rechte und Pflichten festlegte. Hinsichtlich des Sterbefalles wurde hierin bestimmt, daß nach Beerdigung eines verstorbenen Abtfreien der Bote des Abtes mit einem weißen Stock rückwärts auf das Vieh zugehen sollte. Das erste Stück, das er berührte, gehörte dem Abt, der keine weiteren Abgaben zu beanspruchen hatte. Auf die Einhaltung dieser Sate und verschiedener Abmachungen, die zwischen den Herren v. Tork und den Abtfreien im Laufe der Zeit getroffen waren, wurde noch Adolf Heidenreich Droste zu Vischering bei der Behandung am 28. Juni 1756 verpflichtet.
In der Lengericher Kirche befinden sich vor dem Chor eine Anzahl Grabplatten, die zum Teil stark abgetreten sind. Die südlichste hat die Inschrift:
« Anno 1638 den 5.Julij ... Wolledler, getreuer und ernvester Junker Johann Torck im Alter von 80 Jahren entschlafen. In vita fuit virtutis Amator. »
Wappen:
"Heck" "Mechelen"
"Tork Asbeck"
"Horst" "Stael"
Dazu gehört ein Totenschild an der Südseite des Chors mit dem Torkschen Wappen und der Unterschrift:
« Anno 1638 obiit 5. Julii. »
Daneben befindet sich der Grabstein seiner Gattin:
« Anno 1632 den 9. Juli ist die edle ehr und vieltugendreiche Frau Anna Magdalene von Reede, des auch wolledlen getreuen ernvesten Junkern Johann Torck die Zeit ihres Lebens Gemahl, christlich im Herrn entschlafen. Vivit Post funera virtus, Post tenebras spero lucem. »
Wappen:
"Goer" "Schwarzenberg"
"Rede Mansfeld"
"Rutenberg" "Solms"
Der 3. Grabstein, dessen Umschrift zum Teil abgetreten ist, ist der des Friedrich Wilhelm v. Reede, der am 16. März 1639 im Alter von 49 Jahren starb: « Mors ultima linea verum. »
Wappen:
"Goer" "Schwarzenberg"
"Rede Mansfeld"
"Rutenberg" "Solms"
Der daneben befindliche Grabstein ist durch das Gestühl teilweise verdeckt und läßt deshalb den Namen nicht erkennen. Es ist der der Elisabeth v. Tork, Gattin des Johanns Friedrich Wilhelm v. Reede. Zu lesen ist:
« Anno 1669 am 1. November . . . Asbecke, Vornholm, Lengerke, Langen und . . . aetatis suae im 69 Jahr christlich im Herren entschlafen . . . Seele Gott gnedig sei. »
Wappen:
"Asbeck" "Droste"
"Tork Schedelich"
"Heeck" "Huchteburg"
Dazu gehört das große Epitaph an der Nordseite des Chors mit dem Wappen Tork und der Aufschrift:
« Obiit Anno 1669 primo Novemb. Aetatis 68 Mens. 5. »
Lageplan der Burg
Die ehemalige Burg in Lengerich, Kr. Lingen
Quellen:
(1) Die urkundlichen Nachrichten entstammen dem im Haus Darfeld i. W. befindlichen Archiv des Erbdrosten Graf v. Droste-Vischering, Abteilung Lengerich;
Ehepakten siehe auch Abteilung Vornholz; sie sind z.T. veröffentlicht in den Inventaren der nichtstaatlichen Archive Westfalens, I, 3. Seite 135ff. und Seite 181ff. Urk. vom 8.5.1269: Osnabrücker Urkundenbuch III Nr. 397.
Literatur: Goldschmidt, Nachrichten über den Sadelhof Lengerich auf der Wallage, in Mitt. des Hist. Vereins Osnabrück, Bd. 4 Seite 364ff.
Die dort als Quelle angegebenen Lehnsakten im Staatsarchiv Hannover sind durch Kriegseinwirkung vernichtet.
Goldschmidt, Grafschaft Lingen, Seite 138. Schriever, Kreis Lingen I Seite 182ff. und Seite 209.
F. R. Hahn, Der Fund von Lengerich, Hannover 1854.
Hermann Meier, Aus Lengerichs Urgeschichte, in «Die Kunde», gemeinsames Mitteilungsblatt des urgeschichtlichen Außendienstes am Landesmuseum Hannover und der Arbeitsgemeinschaft für die Völkerkunde Niedersachsens Heft 3 Seite 55ff. und Heft 8 Seite 159ff.
Quelle:
Rudolf vom Bruch: Die Rittersitze des Emslandes, Verlag Aschendorff, Münster Westfalen 1962, S. 130-136
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