Emsländische Schützenfeste
Aus der Geschichte der Schützenfeste
Der Ursprung der Schützenfeste ist auf jene Zeiten zurückzuführen, in denen es keine stehenden Heere gab. Die Bürger hatten ihr Hab und Gut gegen äußere und innere Feinde selbst zu verteidigen. In den mittelalterlichen Städten waren sämtliche waffenfähigen Bürger zum Kriegsdienst verpflichtet. Die Handhabung des Spießes, der gewöhnlichen Waffe, erforderte keine besondere Ausbildung; anders war es schon beim Gebrauch der Schießgeräte, deren Bedienung geübt zu werden pflegte.
Da war es leicht erklärlich, daß sich die Bürger für die vielen Lasten und Mühen, die mit dem Waffendienst verbunden waren, wenigstes einmal im Jahre durch ein frohes Fest zu entschädigen suchten. Im 15., 16. und 17. Jahrhundert feierten manche Städte teilweise großartige Schützenfeste, die sogar von Vertretern weit entfernt gelegener Orte besucht wurden. Die ersten Schützenfeste sind urkundlich schon im Jahre 1441 nachgewiesen und hießen damals "Vogelschießen". Allen voran waren derartige Feste in der Schweiz und auch in den Niederlanden, wovon noch herrliche Parade- und Schützenstücke sowie Gemälde von Rembrandt (Nachtwache) und van der Helst (Schützenmahl, Schützenpreisrichter) Zeugnis geben. Die Schützen bedienten sich ursprünglich der Armbrust, später auch der Feuerwaffen.
Im Jahre 1625 hatte das Bistum Osnabrück in Franz Wilhelm, Graf von Wartenberg, der der Sohn eines bayerischen Herzogs war, einen tatkräftigen Bischof erhalten. Alle Schrecken und Greuel des großen Krieges erlebte er mit und sah das verwüstete Land. Er begann mit Tatkraft und Eifer, die schrecklichen Folgen zu beseitigen.
Schützenkette von Emsbüren (in der Mitte das von König Georg V. gestiftete Schild)
Viele alte Bräuche waren während der unruhigen Zeiten nicht mehr ausgeübt worden, u. a. das Schießen nach dem Vogel auf der Stange, das Vogelschießen. Reichsfürst und Bischof Franz Wilhelm von Osnabrück erließ deshalb eine Verordnung, um diesen alten Brauch nicht in Vergessenheit geraten zu lassen:
"Im Dreißigjährigen Krieg ist der alte Brauch des Vogelschießens verschwunden. Nun ist Friede im Lande. Damit die Untertanen im Schießen erprobt bleiben und Sitte und Brauch der Väter wieder zu Ehren komme, muß in jedem Dorf alljährlich zwischen Ostern und Jakob (25. Juli) ein Herrenvogel oder ein freier Vogel geschossen werden."
Die Veranstaltung soll an einem Werktag sein, vom Aufgang der Sonne bis zum Untergang. Jeder Voll- und Halberbe, jeder Erb- und Markkotten muß bei Vermeidung einer Strafe mit einem Gewehr erscheinen. Die Vogelstange muß 80-100 Fuß lang sein. Der Vogel ist aus zähem Holz, möglichst aus Wurzeln, anzufertigen.
Zum Beginn des Schießens wird der silberne Vogel, den der vorjährige König an einer Halskette getragen, unten an die Stange gehängt. In bestimmter Ordnung hat dann jeder Schütze zu schießen. Niemals dürfen zwei gleichzeitig einen Schuß abgeben. Wer die Krone des Vogels von der Stange schießt, ist Schützenkönig.
Er wird mit dem silbernen Vogel geschmückt. Als Lohn für seine Tat ist er im folgenden Jahre frei von persönlichen Leistungen in der Gemeinde (Wachdienst, Wolfsjagden). Ist der Vogel bis zum Sonnenuntergang nicht abgeschossen, sind als Strafe zwei Fuder Hafer zu entrichten (etwa 20 Zentner).
Damit auch der Frohsinn zu seinem Recht komme, ist ein Umtrunk nicht verwehrt. Auf 20 Personen darf jedoch nicht mehr als eine Tonne Bier kommen, und dem König sollen keine Kosten entstehen. Vom Vogt ist darauf zu achten, daß keiner Zank oder Kibbelei anfängt. Nötigenfalls wird er am Strafgericht gebührend dafür bestraft. Eine große Mahlzeit soll bei der Veranstaltung nicht stattfinden. Fremde Personen sind möglichst nicht einzuladen. Niemals darf ein Ortsfremder, nach den Vogel schießen. Wo allenthalben altes Brauchtum heute zu Ehren kommt, könnte die Verordnung des Bischofs Franz Wilhelm recht gut die Grundlage abgeben für eine allgemeine zeitgemäße Schützenordnung.
In der Begründung dieser Vogelschießordnung wird bestätigt, daß das Vogelschießen ein alter, löblicher Brauch war, und wir können auch daraus entnehmen, daß bereits im 16. Jahrhundert in Stadt und Land Vogelschießen abgehalten worden sind. Bis zum Jahre 1680 haben sogar Zwangsmaßregeln zur Abhaltung der Schützenfeste bestanden. Von da ab werden die Nachrichten über die Schützen und Schützenfeste spärlicher, und es ist wahrscheinlich, daß das Schützenwesen eine Generation hindurch vollständig geruht hat, bis es in den dreißiger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts wieder zu neuem Leben erweckt wurde.
Quelle:
Unsere Heimat Heft 11 - Sitte und Brauchtum im Jahreslauf, Verlag R. van Acken, Lingen / Ems 1954, S. 521-523
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