Evangelische Schule zu Lengerich 1674 bis 1969
Aus Anlaß der bevorstehenden Pensionierung unseres ehemaligen Lehrers Gerhard Sels, haben wir - einige seiner früheren Schüler - einen Bericht über die Schulgeschichte des ländlichen Raumes ab 1674 und besonders über die Schulgeschichte Lengerichs geschrieben.
Einige Auszüge:
Schulen im ländlichen Raum waren ursprünglich Küsterschulen. Lesen im Mittelalter konnten weder Fürsten, Könige noch Kaiser; dieses war nur einer kleinen Elite vorbehalten. Das ländliche Schulwesen breitete sich erst nach der Reformation auf den Dörfern aus. Hierbei handelte es sich um die sogenannten Küsterschulen. Die Lehrer auf dem Lande waren in dieser Zeit die Küster.
Das Lesen beschränkte sich auf wenige Texte in Bibel und Katechismus. Die Küster, die zugleich auch Kantoren waren, sahen in den Kindern ihre zukünftigen Chorsänger. Ein Vormittags-Stundenplan dieser Zeit sah abwechselnd Gesang, Gebet und Bibellesung vor; dieses wiederholte sich am Nachmittag. Unterricht im Rechnen wurde überhaupt nicht erteilt. Im Sommer fiel die Schule meistens aus, da die Kinder in der Landwirtschaft gebraucht wurden.
Die Küster wurden wohl zum größten Teil mit Naturalien abgefunden. Daher arbeiteten sie in den Sommermonaten nicht selten als Kuh-Hirten, um ihren Lebensunterhalt mitzuverdienen. 1751 ist im Stundenplan der Landschule zu Westerstede erstmals vom Rechenunterricht die Rede.
1763 gab es dann das Generallandschul-Reglement von Friedrich dem Großen. Kirchliche Schule ging in eine staatliche Einrichtung über. Es bestand allgemeine Schulpflicht; und seitdem wurden die Lehrer auch wahrscheinlich vom Staat entschädigt.
Zur Schulgeschichte Lengerich´s:
In der Schulchronik ist erwähnt, daß es hier 1674 einen reformierten Küster und Lehrer gab. Der Küster unterrichtete an einer Simultanschule sowohl evangelische als auch katholische Kinder. 1825 endete diese Simultanschule. Kinder beider Konfessionen wurden von nun an getrennt unterrichtet.
Zum Neubau der ersten reformierten Schule - ein Küsterhaus - ist in der Schulchronik zu lesen:
Am 28. März 1836 wurde auf dem reformierten Kamp, dessen zur reformierten Pfarre hierselbst gehörend und an der Straße nach Freren gelegend, der erste Stein zum neuen Gebäude gelegt. Am 29. Mai 1837 wurde zum ersten Male im neuen Schulgebäude unterrichtet.
Es war oft so, daß auf der einen Seite des Gebäudes die Küsterwohnung und auf der anderen Seite der Schulraum war. Der Unterricht dieser Zeit betrug 32 Stunden in der Woche. Der Schulweg einiger Kinder betrug bei den damaligen Wegeverhältnissen 50 - 60 Minuten.
Als Lokalschulinspektoren fungierten die zeitigen Prediger und als Kreisschulinspektoren die Herren Superintendenten. Die Aufsicht über die Schulen wurde durch die Pastoren getätigt. Sie besichtigten jährlich die Schullokale und berichteten dem Superintendenten in Lingen.
Im Laufe des 1. Weltkrieges schreibt der damalige Lehrer Meckfessel in die Schulchronik:
Am 5. Oktober 1916 war der letzte Zeichnungstag für die 5. Kriegsanleihe - Kriegsanleihen wurden gezeichnet, um Mittel für den Krieg zu haben. - Die ersten Anzeichen für einen vollen Erfolg derselben waren nicht besonders günstig. Manche Soldaten hatten aus dem Kriege nach Hause geschrieben: "Zeichnet nicht, Ihr verlängert dadurch nur unnötig den Krieg!" Der Lehrer schreibt weiter: "Da war fleißige Werbearbeit nötig, um die Leute von ihrer falschen Absicht abzubringen. Aber es gelang !"
Nach empfehlenden Worten von der Kanzel ging der Lehrer werbend von Haus zu Haus, und der Erfolg war durchschlagend. Es wurden 5.110 Mark eingezahlt. Als Anerkennung wurden den Kindern die Ferien um einen Tag verlängert. Im Juli 1917 wurden die beiden größten Glocken im Gewicht von drei und siebzehn Zentnern abgeholt. Tiefe Wehmut erfüllte die Gemeinde und das ganze Dorf. Mit Eichenkränzen geschmückt wurden sie nach Absprache unseres Herrn Pastors mit Gesang von Kindern zum Dorf hinausgeleitet, um in anderer Gestalt für Heimat und Herd mitzukämpfen. Mögen sie dem Sieg und Frieden dienen, den sie so oft mitverkündet haben! Ebenfalls wurden die Zinnpfeifen der Orgel abgegeben.
Soweit Lehrer Meckfessel.
Durch Verfügung des Ministeriums wurde am 1. Juni 1937 die evangelische Volksschule mit der hiesigen katholischen Volksschule zusammengelegt.
1948 schreibt Lehrer Feskorn in die Chronik:
Der 2. Weltkrieg war für Deutschland verloren. Durch die schon vor - und erst recht nach dem Zusammenbruch einsetzende Völkerwanderung kamen auch in die Gemeinden Lengerich-Dorf und -Bauernschaft zahlreiche Flüchtlinge aus Ostpreußen, Pommern und Schlesien. Ein großer Teil dieser Flüchtlinge ist evangelisch. Ihre Kinder vergrößern die in die hiesige Gemeinschaftsschule gehende Zahl evangelischer Schüler beträchtlich. Seit dem 1. April 1948 hat die evangelisch-reformierte Gemeinde wieder ihr eigenes Schulgebäude.
Soweit Lehrer Feskorn.
Am 1. April 1955 wurde dann der Lehrer Gerhard Sels mit der Wahrnehmung der einklassigen evangelischen Volksschule zu Lengerich betraut.
Auf Grund gestiegener Schülerzahlen wurde 1963 Fräulein Knostmann als 2. Lehrkraft eingestellt.
Am 1. August 1969 wurden beide Schulen Lengerichs zusammengelegt. Lehrer Gerhard Sels - der nun im Juni 1988 in Pension geht - ging noch im gleichen Jahr an die Sonderschule nach Freren. Schülerinnen und Schüler der letzten evangelischen Volksschule Lengerichs sind diesem engagierten Pädagogen zu großem Dank verpflichtet.
H. Burrichter, R. Hoffmann, U. Bornhorst
Quelle:
Informationsblatt der Samtgemeinde Lengerich - Nr. 123, Lengerich Juni 1988
Titel des zugrundeliegenden Buches:
Evangelische Schule zu Lengerich von 1674 - 1969 - Bericht des letzten Lehrers Gerhard Sels
Wer hat die komplette Chronik ?
|