Freibrief für eine Bauerntochter

In jener Zeit, als auf dem Lande noch das Hörigkeitsverhältnis bestand, mußte jeder, der den Hof für immer verlassen wollte, einen Freibrief beantragen

Der nachfolgende Freibrief, der im Jahre 1764 ausgestellt wurde, betrifft zwar eine Tochter des Hofes Lühle in Berge bei Emsbüren, so oder in ähnlicher Form wird er aber auch in unserem Kirchspiel vorgekommen sein. Der Freibrief hat folgenden Wortlaut:

"Von Gottes Gnaden Wir Maximilian Friderich, Ertz-Bischof zu Cölln, des Heil. Römischen Reichs durch Italien Ertz-Cantzler und Churfürst, Legatus Natus des Heil. Apostolischen Stuhls zu Rom, Bischoff zu Münster, in Westphalen und zu Eegeren Hertzog, Burggraf zum Stromberg, Graf zu Königsegg-Rottenfels, Herr zu Odenkirchen, Borckelohe, Werth, Aulendorf und Stauffen, etc. etc. Thuen kund und fügen hiemit zu wissen, daß wir die Unserer Münsterischen Hoff-Cammer eigenhörige Magd Gesina Lühle von den Elteren Joan und Margaretha Kottenns Unseres eigenhörigen Lülen Kottens Kirspells Embsbührens ehelich gebohrene Tochter von allen eigenthumbs Recht und Pflichten, mit welchen sie bis dato an Unser Ambthaus Rheine verpflichtet gewesen, frey, quid, ledig und loßgesprochen haben, thuen das auch hiemit Krafft dieses und dergestalt, daß sie nunmehro nach dato dieses, anderen freyen Leuthen gleich, sich dahin hehren, und begeben mag, wohe sie es ihr am gelegensten und dienlichsten zu seyn vermeinen wird, geloben auch derselben, die der Freylassung halber jederzeit zu stehen und zu wahren, dahingegen für Gesina auf obgemelten Unsern Lühlen Kotten auch alle daran habende Spruch und Forderungen hiemit gäntzlich renuntiiren thut, ohne Gefehrde und Arglist. Uhrkund Hoff-Cammer Insiegels und Vidimation. Signatum Münster den 5. Juli 1764.

(Siegel)(Unterschrift) "


Quelle: s.u.


Es wird in diesem Freibrief der Gesina Lühle also mitgeteilt, daß sie aus der Hofeshörigkeit entlassen wird. Es wird ihr eröffnet, daß sie alle Rechte und Pflichten als Tochter des Hofes verliert, daß sie "frei, quitt und ledig" aller Rechte und Pflichten sei, daß sie sich begeben kann wohin sie will, daß sie aber auch an den Hof keinerlei Ansprüche mehr habe. Höchstwahrscheinlich ist vorher schon mit den Eltern und Geschwistern hinsichtlich der Aussteuer und der Mitgift alles geregelt worden, so daß es nur noch der Genehmigung des Landesherren bedurfte, um frei zu sein, damit sie heiraten konnte.


Quelle:
Lengericher Geschichte(n), Nr. 2, Heimatverein für das alte Kirchspiel Lengerich e.V., Lengerich 1996, S. 7-8

Quelle: www.heimatarchiv.de zurück