Erhaltene Nachrichten
aus den Jahren 1496 - 1609

Der Pastor Hermann Lubbertius hat in dem von ihm der Kirche 1606 geschenkten Missale bei den Daten des Kalendariums wichtige Ereignisse verzeichnet, meist Brand, kriegerische Überfälle und Seuchen betreffend, die hier in Übersetzung nach der Zeitfolge dargeboten werden. Wo schriftliche Überlieferungen dazu noch Einzelheiten geben, ist solches hinzugefügt worden.

Am 17. April 1496 morgens 4 Uhr verbrannte das Dorf Lengerich gänzlich mit Ausnahme von drei Eckhäusern. Die Häuser waren noch mit Stroh gedeckt. Die Eckhäuser werden am Markt gelegen haben.

Am 3. April 1538 brach im Dorf Lengerich von der Feuerstätte eines gewissen Schmieds (fabri) ein Feuer aus, und es wurden dadurch 33 Wohnungen und alle Gebäude des Pastors verbrannt. Auch die Kirche geriet in Brand. Dieser Brand aber wurde unter dem göttlichen Beistands des Sakraments durch die Tapferkeit der jungen Leute um ungefähr 10 Uhr vor Mittag gelöscht. Bei viel späteren Reparaturen am Kirchendach wurden Spuren dieses Brandes gefunden.

Goldschmidt berichtet S. 57 nach dem Archiv in Brüssel: 1558 nach dem Rücktritt Karl V. brach Wallerthums Kriegsvolk im Lingenschen ein, blieb dort zwei Nächte, schlug die Leute bunt und blau, und nahm ihnen Kleider und dergleichen weg. Weiter S. 67: 1574 hausten in der Grafschaft die braunschweigischen, sächsischen und schauemburgischen Reiter über die Maßen. Bei ihrem An- und Abzuge erlaubten sie sich die größten Gewalttätigkeiten und Plünderungen. Selbst unter den Augen des Herzogs Magnus von Sachsen, welcher beim letzten Ausfluge auf dem Hause Lengerich logierte, wurden dem Verwalter dortselbst alle Kleider weggenommen. Der Richter Engelbertz zu Lingen hat nach Angaben den Schaden auf 1100 Reichsthaler in der Ober- und Niedergrafschaft festgestellt.

Aus dem Missale: Im Jahre 1579 brach in dieses Gebiet der Herr von Kusbach, ein Schlesier, Freitag vor Martini ein und nachher am Jage der Beschneidung des Herrn uff Kerkenburg vom Pulver getroffen, starb er nach drei Jagen, für vieles Böses, welches er vorher den Elenden dieses Landes wie ein Tyrann angetan hatte. Wie die Entzündung des Pulvers geschah, darüber laufen mehrere Berichte um. Entweder bei der Sprengung eines Kleiderschranks oder einer Kiste oder bei der Erwärmung eines Hemdes. Jedenfalls aber geschah es nicht auf der Hakenburg wie Goldchmidt gelesen hat, sondern "uff Kerkenburg". In diesem Jahr muß die Kirchhofsburg noch so- fest gewesen sein, daß dort die Truppe lagern konnte. In einem der Kirchhofshäuser mag von Kusbach im Quartier gelegen haben.

Im Herbst 1580 nahm Graf de Hollar (Graf Phil. von Hohenlohe) Lingen in Besitz, wurde aber, nachdem er von 16 Kirchen 19 Glocken geraubt hatte, gezwungen, sich in schimpflicher Flucht zurückzuziehen. - Nicht alle Glocken sind weggenommen. Freren hat alle verloren, Lengerich jedoch eine Glocke von 1461 behalten. Aus den Glocken wurde Geschütz gegossen.

Im Jahre 1584 gerade am Laurentiustag sind 14 Häuser verbrannt. Der Brand nahm seinen Anfang vom Herdfeuer Spiekermanns in Lengerich. - ´Die enge Bauweise, bei der ein Strohdach an das andere stieß, brachte es mit sich, daß jedem Brande so viele Häuser zum Opfer fielen.

In den Jahren 1586 und 1587 war das Getreide so rar, daß ein Scheffel Roggen für einen Thaler holländisch verkauft wurde.

Im Jahre 1587 machten die Geusen (reformierte Holländer) einen feindlichen Überfall von Meppen aus in Lengerich, welches sie fast ganz anzündeten, nachdem sie es geplündert und viel Gefangene fortgeführt hatten. Durch diese Brandstiftung ging ein großer Teil des Dorfes in Flammen auf. Die göttliche Strafe ist dem Urheber oder Vorkämpfer des Verbrechens, Scherhagen, einem abtrünnigen Kapellan, nach vollbrachter Tat schon bei Sonnenaufgang am nächsten Morgen sofort gefolgt, da jener beim Rückzug vor Meppen von einem königlichen Soldaten allein tödlich vom Pferde aus niedergestreckt wurde und seine unselige Seele aushauchen mußte.

Im Jahre 1606 am Tage von Marieä Geburt begann hier die Pest zu grassieren. An diesem Tage morgens starb als Erster Joh. Wehe, und durch bald sich ausbreitende Ansteckung verschlang sie täglich 4, 5, 6 oder 7 meistens. An einem Tage wurden 10 beerdigt. Diese Seuche hat mit derselben Heftigkeit durch Ansteckung und Todesfälle wie ein feuriges Schwert ihre Kraft bis Empfängnis Marieä ausgeübt. Darnach und im folgenden Jahr 1607 wurde in Zwischenräumen die eine oder andere Familie von ihr zerstört, bis Kirchweihe (Sonntag nach Remigii) . An diesem Feste starben als Letzte Hilla Boven und Anna Kulken. Das Weitere ist deutsch geschrieben: Tho Gersten, Drope und Nordholt grasserende se am meisten und vort dorth gehelene (ganze) Kerspel, utgenommen Wettrup und Suderweh. Dartemal de tyd quam: 300 Menschen sind ungefähr benannter Tyd gestorven und by dusend sollen sich in Anfang ut Furcht noch gesund berichten (versehen) laten. In dem Jahre 1607 ist Julian Volbiers einzige Tochter (Agneta) in der Kirche begraben worden. Für das Begräbnis wurden 5 Florin gezahlt. Sie ist auch wohl ein Opfer der Pest geworden. Der Grabstein befindet sich noch in der Kirche.

Im Jahre 1607 an dem auf Jakobus und Philippus folgenden Tag in der Nacht oder früh um die erste Stunde begann die Burg zu Lingen zu brennen, bis zur 4. Stunde, in welcher das Feuer den Pulverturm ergriff, durch dessen Explosion die Fundamente des Turms und der übrigen Gebäude erschüttert und zersprengt wurden. Dadurch kamen v9n den vornehmsten Bürgern, welche zum Löschen herbeigeeilt waren, sowie von den Soldaten einige Hundert um und wurden zerstreut außerhalb der Mauern und Gräben entweder lebendig und verstümmelt oder tot wiedergefunden.

1608 schenkte Tork der Kirche ein aus zwei Teilen bestehendes Missale, ebenso ein Kreuz auf dem Altar mit Insignien. Im Jahre 1609 am 9. April wurde ein 12jähriger Waffenstillstand zwischen dem durchlaugtigsten Erzherzog und Herzog von Brabant und dem Fürsten der übrigen belgischen Provinzen, auch im Namen des Königs von Spanien, und den übrigen Ständen Hollands und der anderen vereinigten Staaten im Lager zu Antwerpen geschlossen, welcher bald darnach unter dem Brauch eines öffentlichen Festes, nämlich durch Glockengeläut und Anzünden von Holzhaufen, überall bekannt gemacht wurde.

Hiermit enden die Aufzeichnungen der Missale. Wie oft ist das Dorf in diesem kurzem Zeitraum von großen Bränden heimgesucht worden. Und doch wurde es immer neu aufgebaut. Seuchezeiten gingen darüber hinweg, doch neue Geschlechter wuchsen heran. Viel Leid und Lasten brachten Kriegszüge, aber die schwerste Zeit kam erst noch, der dreißigjährige Krieg.

Aus dem gleichen Zeitraum ist aufgrund der Akten des Hauses Lengerich noch zu berichten, daß im Jahre 1565 bevollmächtigte Hausleute des Salhofs auf dem Werdenschen Obergericht zu Bankhofen erschienen mit der Bitte, ihnen eine Kundschaft der alten Privilegien, Gerechtigkeiten und Gewohnheiten des Hofes zu übergeben, da ihnen diese durch großen Brand (1538) und Kriegsläufe abhanden gekommen und untergegangen, und die alten Hausleute, die dessen kundig waren, verstorben seien. Sie ist ihnen am 7. Juli mit zwei Siegeln versehen ausgehändigt worden auf einem großen Pergament und soll auf dem Wehrmannshofe aufbewahrt worden sein. Vermutlich war Wehrmann unter den Abgesandten. Der Inhalt ist von Goldschmidt in den Mitteilungen des historischen Vereins Bd. 4, S. 383ff. abgedruckt worden. Jetzt befindet sich nur noch eine Kopie der Urkunde unter den Akten des Wehrmannshofes.

Mit dem Jahre 1593 beginnen die Aufzeichnungen des Junkers Joh. Torck über Absterben und Handgewinn, die zum Teil im Frerener Volksblatt veröffentlicht worden sind. Bis 1603 sind die Abtfreien entgegenkommend von ihm behandelt bei diesen oft schnell einander folgenden Gefällen und die Sätze wegen mancherlei Not und Beschwernis der Pflichtigen und auch ex gratia niedrig gehalten. Mit letzteren Jahren geht Torck von dieser Gepflogenheit ab und erhöht die Sätze, und die Abtfreien verweigern immermehr die Zahlung, so daß es zuletzt zu militärischer Einquartierung und Zwangseintreibung kommt. Die Hofesleute führen einen Prozeß dagegen bis zum Reichsgericht, das am 9.2.1620 ein Schlußurteil gegen sie fällt. Die Sache geht aber doch noch weiter, bis 1633 liegen Akten vor. Auch das war ein dreißigjähriger Streit, der zum Teil mit dem großen Krieg zusammenfällt. Genaueres darüber ist in der Geschichte der Eigenbehörigkeit.

Nach Pastor Meyer



Quelle:
Lengericher Geschichte(n), Nr. 3, Heimatverein für das alte Kirchspiel Lengerich e.V., Lengerich 1997, S. 6-8

Quelle: www.heimatarchiv.de zurück