Bilder aus der Geschichte
Lengerichs i. H.

(Alter Zeitungsausschnitt, dessen Herkunft nicht mehr bestimmt werden konnte)

Das Jahr 1849 war in unserer Gemeinde ein Unglücksjahr. Ein furchtbarer Hagelschlag verursachte enorme Schäden, so daß folgender Aufruf veröffentlicht wurde:

Hilferuf und Bitte. Ein furchtbares Hagelwetter hat am Sonnabend, den 2. Juni 1849 unsere schönsten Hoffnungen auf eine ergiebige Ernte binnen 10 Minuten zu Grabe getragen. Nachmittags gegen halb 6 Uhr erhob sich im Südwesten ein Gewitter, welches in einer Breite von einer halben Stunde gerade über Lengerich hinzog und Hagelschlossen in hier nie erlebter Größe und Menge mit sich führte, so daß fast überall dicke Hagellagen die Wege und Felder bedeckten. Am Montag, den 10. Juni, fand man schon 10 Minuten östlich von Lengerich, wo die Kraft des Gewitters sich vorzugsweise entladen hatte, an einer Scheune noch eine bedeutende Menge Hagelschlossen, von denen die meisten noch einen Zoll Durchmesser hatten.

Man wird ermessen können, welch enormer Schaden dadurch auf den Frucht- und Kornfeldern angerichtet ist. Abgesehen davon, daß alle ungeschützten Fensterscheiben nach Südwesten zerstört wurden, findet man in dem betroffenen Gebiet alle Feld- und Gartenfrüchte wie zerhackt und gebrochen auf dem Boden hingestreckt und die Wege mit Baumzweigen bedeckt.

Der hierdurch entstandene Schaden beläuft sich nach einer vorgenommenen Schätzung über 100.000,-Gulden und ist um so drückender, da die größte Zahl der Hagelbeschädigten Pächter und Heuerleute sind.

Der Hilferuf wendet sich an die so oft betätigte Hilfe unserer deutschen Brüder und Mitbürger. Der Ortsvorsteher Grove wird die eingebrachten Gaben in Empfang nehmen, und das nachstehende Komitee darüber zu seiner Zeit in den "Osnabrücker Anzeigen" Bericht und Rechnung ablegen.: Ruiter, Pastor.
Gibmeyer, Dr.med. Ficker, Kaufmann. Goldschmidt, Lehrer. Hegena . Ruiter viegr. J. H. Berlage. B. J. Berlage. B. Grove, Vorsteher. J. Kleve

Dabei befindet sich ein Verzeichnis der gestundeten Grundsteuern für die durch den Hagelschlag beschädigten Grundstücke, die auf 6 Monate erlassen sind, beginnend mit Februar 1850. In Langen haben ebensoviel Hagelschaden erlitten wie in Lengerich, einige auch aus Handrup. Die erlassene Grundsteuer beläuft sich auf 455 Thaler.

Die Mobiliarbrandversicherung auf Gegenseitigkeit wurde 1849 in den Bauernschaften Lengerich, Handrup, Langen, Gersten und Wettrup begründet. mit 57 Teilnehmern. Die von den einzelnen gezeichneten Beiträge im Schadenfalle sind je nach der Schätzung halb oder ganz zu zahlen. Im Jahre 1880 wurde das Statut erneuert. 1885 erhielt es den Zusatz, daß jedes Mitglied weiter dem Betroffenen 2 Scheffel Roggen zu geben habe, wenn der Schaden in die Zeit von Jakobi bis Lichtmeß falle, in der übrigen Zeit nur ein Scheffel.

Aus der Zeit von 1830 - 60 einige Nachrichten über die wirtschaftliche Betätigung der Bevölkerung: Es wurde Flachs gebaut. Linnen gesponnen und gewebt, nicht nur zum eigenen Bedarf, sondern auch zum Verkauf. Die Kaufleute Kramer und Ficker leiteten diese Geschäfte. Die Röthegruben zum Dicken des Flachses befanden sich für das Dorf beim Brandteich (Petri Fischteich auch genannt), eine Bleichstelle für das Leinen war an Albers Haus. Ein Graben von dem mittleren Teich leitete das Wasser dorthin. Geräucherte Schinken und Fettschweine wurden verkauft. Letztere wurden hier geschlachtet und verkauft. Neben den Kaufleuten beteiligten sich auch Landwirte an diesem Geschäft. Da aber dabei oft Einbußen vorkamen, schritt man noch 1870, als die Eisenbahnen gebaut waren, zum lebenden Versand. Alte Leute wissen noch, daß am Anfang jeder Woche viel im Dorf geschlachtet ist, und die Abfälle nach der Schlachtung billig zu haben waren.

An kleinen Industrien kam in dieser Zeit auf die Tabaksproduktion und die Zichorienbrennerei. Nach 1840 kam als Tabakfabrikant Böttger von Berge nach hier, der im jetzigen Wintermannschen Hause die Fabrikation eröffnete. Auch der Kaufmann Ficker betrieb diese Fabrikation neben dem Verkauf geschlachteter Schweine. Ihm gehörte damals auch das gegenüberliegende Haus. Der Anbau der Zichorie erforderte viel Arbeit. Um gute, kräftige Wurzeln zu erzielen, mußte der Boden nicht nur sauber gehalten, sondern auch die Nebenwurzeln abgestochen werden. Die Wurzeln wurden an die Zichorienbrennerei verkauft. Als solche wurden genannt: Robben zu Gersten und Lampe zu Wettrup. Dieser Anbau dauerte bis nach 1870. Die Kaufleute Cramer und Ficker besuchten auch die Braunschweiger Messe und brachten dort beigaben für die Kinder mit: Flötepfeifen für die Jungen und Dosen für die Mädchen. Endlich sei hierbei noch die Töpferei bei Beltarisch erwähnt. Der letzte Töpfer war Markmeyer. Kunstvolle Tabaksdosen von ihm sind einzeln noch vorhanden. In der hannoverschen Zeit wurden nur Thaler, gute Groschen (= 12 Pfg.) und Deuts (Pfg.) gebraucht. Die Mark fehlte. In der alten Salzniederlage kostete ein Pfund Salz 5 Deut. Zusatz: Über die Ausfuhr von Erzeugnissen liegt folgender Bericht vom Jahre 1830 vor:
1. Leinwandausfuhr von Lengerich nach Holland und Bremen. 2. Gedorrte Zichorienwurzeln und fabrizierte Zichorie ins Preußische, etwas im Preise gestiegen. 3. Geräucherter Schinken und Fettschweine. Erstere nach Holland und Bremen, letztere nach dem Oldenburgischen. 4. Hühnereier, die durch Aufholer aus dem Preußischen abgeholt und nach Holland fuderweise ausgeführt werden.

Das fabrizierte Leinen ist sehr wohlfeil, allein die Leute verderben es selbst damit, in dem zum Bleichen viel Muschelkalk angewandt und dadurch die Festigkeit des Fadens verbeizt wird.

Über den Flachshandel hören wir vom Jahre 1852 den Vogtvertreter Brust sich äußern: 1. Auf dem Flachsmarkt zu Lengerich kommen jährlich etwa 50 - 60 Zentner Flachs zum Verkauf. Früher war der Umsatz viel bedeutender. 2. Der meiste Flachs wird aus den Kirchspielen Messingen und Thuine zu dem hiesigen Markte gebracht, die Ortschaften des Kirchspiels Lengerich liefern nur wenig, in Partien von 5, 10, 15 höchstens 20 Pfund. Aus Wettrup, wo man mehr Zichorien baut, kommt am wenigsten. 3. Der Flachsanbau ist, wie sich aus vorstehendem ergibt, im Kirchspiel Lengerich nur unbedeutend: Colone und Heuerleute, von welchen Flachs in größerem Umfang gebaut wird, gibt es hier nicht; es wird nicht mehr gebaut, als der eigene Bedarf erfordert. 4. Der zu Markt gebrachte Flachs wird am meisten für Lingen, Haselünne, Sögel, Werlte, Berge, Bippen und Ankum angekauft, teils von dortigen Aufkäufern, teils von den hiesigen Kaufleuten Bonning und Ficker. Ersterer hat auf dem letzten Flachsmarkt (Oktober) etwa 13 Zentner und letzterer ungefähr 10 Zentner angekauft.


Quelle:
Lengericher Geschichte(n), Nr. 3, Heimatverein für das alte Kirchspiel Lengerich e.V., Lengerich 1997, S.9-10

Quelle: www.heimatarchiv.de zurück