Beeindruckende Feier im Bürgerpark mit Angehörigen der damals Verfolgten

Ein Gedenkstein erinnert jetzt an
die ehemaligen jüdischen Mitbürger
in Lengerich

LENGERICH (sb) - Seit einigen Tagen trifft der Spaziergänger im Bürgerpark von Lengerich auf einen großen Findling mit einer Gedenktafel. Darauf steht, daß jüdische Familien mit dem Namen Heilbronn während der Nazizeit in dieser Gemeinde unter Unrecht und Gewalt litten oder die Heimat verloren. Weiter heißt es, daß die Erinnerung hieran für jeden Mahnung und Verpflichtung sei, sich für die Wahrung der Menschenrechte und des Friedens einzusetzen. Die Initiative, dieses Mahnmal zu errichten, ging von dem Arbeitskreis Judentum/Christentum aus. Gerne griff die Gemeinde Lengerich diese Idee auf und verwirklichte sie. Im Rahmen einer Feierstunde wurde jetzt der Gedenkstein in Anwesenheit von Familienangehörigen offiziell seiner Bestimmung gewidmet.

Bürgermeister Josef Duisen hieß die vielen Gäste herzlich willkommen, besonders aber Berta Sachs, geb. Heilbronn, aus Bielefeld mit Mann, Kindern und Enkeln, Fred Heilbronn, Hella Weiss, Erna Pinto (beide geb. Heilbronn), Mike Heilbronn (alle USA) und andere Familienmitglieder, die aus New York und London angereist waren. Er freue sich, daß auch Landesrabbiner Dr. Brandt aus Hannover und der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Osnabrück, Aul, der Feier beiwohnten. Besonders hob er die Anwesenheit von Dr. Sunder-Plaßmann aus Münster hervor, dem damaligen Arzt und Ehrenbürger von Lengerich. Er hatte sich große Verdienste erworben mit seiner Behandlung der Patienten ohne Unterschied - gleich, ob Jude oder Christ.

Der Bürgermeister betonte, daß ein Gespräch mit Betroffenen aus dieser schlimmen Zeit ein markantes Erlebnis für Jugendliche und Nachgeborene bedeuten könne. Er dankte dem Arbeitskreis Judentum/Christentum, vor allem aber Gerhard Sels und Lothar Kuhrts.

Pastor Mengel und Pastor Schütz gestalteten, unterstützt von der Bläsergruppe, eine kurze Andacht. Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde

Bielefeld, Sachs (Ehemann von Berta, geb. Heilbronn), wies darauf hin, daß aus den Ermordeten Märtyrer geworden seien. Er bedankte sich für die mutige Tat der damaligen DRK-Schwester Frau Thormann, geb. Brinker, aus Lengerich, die ihm und seiner Frau ins KZ in Riga (Lettland) Lebensmittel gebracht hatte.

Landesrabbiner Dr. Brandt dachte über die drei jüdischen Familien nach, die in Lengerich damals ihre Heimat hatten. Sie lebten in Eintracht mit ihren Mitbürgern und gingen ihrem Gewerbe (Viehhändler) ruhig nach. Er sprach von der Banalität des Bösen. Hier in diesem kleinen Ort treffe eher der Ausdruck "die Intimität des Bösen" zu. Er verneinte die Frage "Gibt es eine Verhältnismäßigkeit des Bösen?" Die Intimität des Bösen zeige, daß es keine Grenze kenne. Worte wie Schuld, Verzeihung und Versöhnung sollten nicht so leicht von den Lippen gehen. Für jeden einzelnen beinhalten sie anderes, jedoch geschichtliche Verantwortung sei von einem Volk zu tragen auch über Generationen, und dafür stehe dieser Stein. Er dokumentiere den Verrat den die Mitbürger an den Heilbronns in den Jahren von 1933 - 1945 begingen. In dem Bemühen, ähnliches nie wieder geschehen zu lassen, werde die Hand zur Versöhnung ergriffen werden. Der Rabbi sprach dann vor dem Stein mit seinen Glaubensgenossen ein gemeinsames Gebet.

Quelle: s.u.

Gebet am neuen Gedenkstein mit Landesrabbiner Dr. Brandt (links).       Foto: Buschhaus


Quelle:
"Kirchbote" vom 06.09.1987

Quelle: www.heimatarchiv.de zurück