Salhof und adeliges Haus Lengerich

Die älteste Geschichte des Haupthofes Lengerich, die Gründung der Eigenkirche, die Entstehung des Kirchspiels, die eigenhörige Bindung der Bauern an den Haupthof und die Dorfgeschichte sind beispielhaft für die Entwicklung in anderen Kirchspielen unserer Heimat.

Die älteste Urkunde, die über den Salhof Lengericke berichtet, zeigt, wie wichtig ein solches Schriftstück für den Heimatforscher sein kann. Sie ist im Jahre 1269 verfaßt und besagt, daß der edle Ritter Bernhard von Ahaus seinen Salhof Lengericke eintauscht. Das berühmte Kloster Werden an der Ruhr gibt einen anderen Hof dafür. Die Urkunde lautet nach einer alten Übertragung ins Deutsche:

"Wy Bernardt edell Ritther geheiten van Ahauß willen kundig wesen unnd bestaen allen christgeloevigenn, die dissen Brieff sehen werden, Dat wy mit vulbert unser Moder, unser haußfrauwen, Jder erven unnd miterven, unsen Sadelhoff tho Lengericke de Wedem, die Kercken frigen Jachte, und fischereien, de gerichten, Wisschen gebouwete und ungebouwete landt Acker mit allen eren andern thobehoeringen rechtsgeschwang oder gewaltten unverscheiden, oder wilcher ene Vurss, so durch Unß Vurelteren besetten erkannt sein, Umb mangerley erschreckunge unnd angefallen, berovingen und Branden, die wy hier, unnd dair geleden, gegeven hebben dem herrn Abtte unnd Convente tho Werden, ewelicken frei, ..."

Ein Sadelhof (curtis) war ein in Pacht vergebener Hof. Der Lengericher Besitz wurde also nicht vom Ritter von Ahaus selbst verwaltet. Zum Hof gehörten Kirche und Pfarrhof (Wedem, dotem), die nach der Urkunde ebenfalls dem Kloster Werden übergeben wurden. Die Kirche war somit eine Eigenkirche. Außerdem erhielt das Kloster die Wiesen, sowie die bebauten und brachen Ländereien. Die zugehörigen Rechte und Gewalten erstreckten sich auf die eigenbehörigen Höfe, die Fischerei, die Jagd und die Gerichtsbarkeit. Der Ritter von Ahaus erhielt im Tausch, so sagt die Urkunde zum Schluß (oben nicht mehr angegeben), einen Hof bei Steinfurt, der seinem Wohnsitz Ahaus im Westfälischen näher gelegen war.

Wir erfahren den Grund des Tausches. Es wird von der Verwüstung des Hofes in dieser Zeit des Faustrechtes gesprochen, von Beraubungen und Bränden. Auch wird uns klar, daß der Ritter infolge der Entfernung nicht in der Lage war, den Lengericher Hof zu schützen. Der Salhof wird vor 1269 noch ein großes, ungeschütztes Bauernhaus gewesen sein.

Dem Kloster Werden aber muß die Erwerbung Lengerickes vorteilhaft erschienen sein. Im Kirchspiel lag bereits eine größere Anzahl von Höfen, die dem Abt abgabepflichtig waren. Schon 890 werden drei genannt: Folders in Langen, sowie Thiatgrini und Raduni in Gersten. Bis 1269 hatten sich sicherlich noch weitere Vollerben angeschlossen, um vom Heerbann frei zu werden. Außer diesen sind gewiß noch Halberbenhöfe hinzugekommen, die in jener Zeit gegründet worden waren (s. S.269). Die zu Werden gehörenden Bauern hießen noch 1550 "die Abtfreien". Als Eigenbehörige des Klosters hatten sie weniger Abgaben zu leisten als die Eigenbehörigen des Salhofes. Das Kloster hatte bis 1269 keinen in Kirchspielsnähe gelegenen Aufsichtshof für die ihm pflichtigen Höfe. Nach dem Tausch aber konnten die Abgaben des Verwaltungsbezirkes (curia) leicht kontrolliert und entgegengenommen werden.

Der Inhalt der Urkunde läßt die Frage aufwerfen, wie alt der Hof gewesen sein mag und wie er entstanden ist. Das Schriftstück veranlaßt uns auch, die Geschichte des Hofes bis in die Jetztzeit zu verfolgen.



1. Die Entstehung des Haupthofes Lengerich
Der Hof im Besitz der Familie Ahaus und Ihrer Vorfahren

Ein Haupt- oder Salhof war größer und stattlicher als andere Bauerngehöfte. Auch genoß er ein besonderes Ansehen, weil er im Besitz eines alten Edelinggeschlechtes war. Er gehörte meist zu den ältesten Siedlungen. Der Hof Lengerich muß ein hohes Alter haben, das mindestens in die sächsische Zeit zurückgeht; denn er besitzt auf allen Eschen zwischen den Landgründen der anderen Bauern Ackerstücke und kann diesen ausgedehnten Anteil am Eschgrund nur zur Zeit der Landnahme, also in frühester Zeit, mit den anderen Altsiedlern erworben haben.

Die sächsischen Edelinge waren die ersten, die sich dem Christentum beugten. Darum dürfen wir annehmen, daß der sächsische Edeling auf dem Salhofe bereits um 820-850 ein Stück seiner Hovesaat (geschlossener Eigenbesitz um den Hof herum) für die Kirche und den Pfarrhof (Wehme) hergab. Somit erfolgte die Errichtung einer Eigenkirche, d. h. einer Kirche, die für ihn, sein Hofgesinde und die ihm Eigenhörigen (Hofesleute) bestimmt war. Der Begründer des Gotteshauses muß einer der Vorfahren des Bernhard von Ahaus gewesen sein, denn die Urkunde sagt ausdrücklich, daß schon die Voreltern den Hof besessen haben.

Wie überall, bewirkte auch in Lengericke die Kirchengründung die Entstehung eines Dorfes. Handwerker und Händler siedelten sich nach und nach rund um die Kirche an. Sie befriedigten die Bedürfnisse der Kirchenbesucher. Fast das ganze Dorf Lengerich steht auf dem Grund des ehemaligen Hofes. Die Dorfbewohner hatten als Abhängige dem Hof geringe Dienste und Abgaben zu entrichten. Sie standen unter dem Schutze des Grundherren und behielten ihre persönliche Freiheit.



2. Der Haupthof im Besitz des Klosters Werden

1269 wurde die Familie von Haake vom Kloster Werden als erste mit der Verwaltung des Hofes betraut. Sie hat vielleicht schon vorher unter dem Ritter von Ahaus den Hof beaufsichtigt, weil nur Mitglieder dieser Familie, die auf Gut Lonne saß, den Tauschvertrag als Zeugen unterschrieben haben. Die Befestigung mit Wall und Graben wird erst dem Ludeke von Haake zugeschrieben, der 1464 auf den Haupthof kam. Darum hieß die befestigte Anlage jetzt auch "die Hakenbrug".


Quelle: s.u.

Ehemalige adelige Burg Lengerich

1500 wurde der Hof dem Goderten von Heek übergeben. Er hatte die Tochter Ludekes zur Frau. In der 1475 bis 1528 erbauten neuen Kirche erhielten die Angehörigen des Hauses Lengerich ein Erbbegräbnis. Außerdem hatten sie einen eigenen Zugang durch eine kleine Tür an der Nordseite, die jetzt zugemauert ist.

Nachfolger der Familie von Heek war die von Torck, Sie muß mit ihren Vorgängern verwandt gewesen sein. Auf einem in der Kirche vorhandenen Grabstein von 1669 befindet sich außer dem Torckschen und anderen auch das Heeksche Wappen. Rutger von Torck hatte eigenmächtig den Hof an sich genommen. Abt und Convent von Werden aber wollten den Besitz nicht wieder verpachten, sondern ihn "in diesen düren Tyden" zu eigenem Unterhalt gebrauchen, Trotz gütlicher Mahnungen und gerichtlicher Klage blieb Rutger auf dem Hof. Er erhielt ihn schließlich sogar in Erbpacht. Seine Vorgänger hatten den Besitz jeweils nur auf Lebenszeit bekommen. Die Familie von Torck wurde jetzt vom Kloster als "Erbgesessene auf unserem Hause Lengerich" bezeichnet, Auch mit den Hofesleuten hatte Rutger Streit. Sie beschwerten sich beim Abte darüber, daß er die Abgaben beim Tode eines Hofesangehörigen eigenmächtig erhöht hatte. Eine gerichtliche Entscheidung legte die Abgaben 1565 fest.

Die "Beschrivinge" von 1550 nennt uns die zugehörigen Höfe. Es sind 10 aus der Bauerschaft Lengerich, 6-8 aus Langen, 5 aus Gersten-Drope, 1 aus Handrup und außerdem 1 aus Beesten. Nach der "Landvermessung" von 1619 betrug der Eigenbesitz des Haupthofes allein an Eschland 219 1/2 Scheffelsaat, also mehr als das Doppelte eines Vollerbes.

Rutger war der Erbauer des festen Hauses in der Burg, die Ludeke von Hake angelegt hatte. In Familienakten des Völkerhofes ist es später nach dem Abbruch beschrieben worden: "Die Burg, ein massives, antikes Gebäude, zwei Etagen hoch, stand fast mitten auf dem Grasplane . . . Es war mit einem Binnengraben und Wall umgeben; der Platz vorm Hause war geräumig und mit einer hohen Mauer von Backstein und fester Pforte umgeben. In der Mauer fanden sich vorn einige Löcher, die ehemals zur Abwehr von Feinden gedient haben sollen, indem man dadurch die Kanonen abgefeuert hat."

Johann von Torck und seine Ehefrau Magdalena von Reede haben 1632 die Johannisstatue im Chorbogen der Kirche gestiftet. Der Sockel trägt das Torcksche Wappen. Das Marienstandbild (1631) stammt von Wilhelm Friedrich von Reede, wohl einem geistlichen Bruder der Frau. Die Grabsteine des Ehepaares und die zugehörige Totentafel mit dem Torckschen Wappen finden sich auch noch in der alten Kirche.

Johann hatte ebenfalls Streitigkeiten mit den Hofesleuten, die sich sehr lange hinzogen. Trotz der Vermittlungsversuche des Abtes von Werden und des Landesherrn wurde der Streit vor dem Reichsgericht ausgetragen. Die Abtfreien mußten die von Johann von Torck festgesetzten hohen Sätze bei der Auffahrt und der Wiederverheiratung (Handgewinn) und beim Tode (Churmudde) aufbringen.

Als die männliche Linie von Torck ausstarb, wurde Wilhelm Friedrich von Reede mit dem Hofe belehnt. Seine Frau war eine geborene von Torck. Die Abtei Werden führte mit ihm einen Prozeß wegen der Rückgabe des Hofes. Er verließ den Wohnsitz um 1680. Der Hof wurde durch einen Rentmeister verwaltet, der auf der Burg wohnte. Das Wohnhaus und die Befestigungen verfielen. Küster Goldschmidt schreibt in seinen Annalen: "1780/85 wurde das alte adelige Haus, welches in der Mitte der Kuhweide der Burg stand, ... abgetragen und das vormalige Viehhaus zur Rentmeisterei eingerichtet."

Der Prozeß endete mit einem Vergleich. Die Familie Droste -Vischering, die durch Heirat mit denen von Reede verwandt war, wurde mit der Burg belehnt. Sie ist heute noch im Besitz vieler Grundstücke in Lengerich.

Seit 1872 steht auf dem Gelände außerhalb der "Burg" das Maria-Anna-Hospital. Es wurde im Laufe der Zeit durch Anbauten erweitert. Den Burgplatz nimmt der Garten des Krankenhauses ein. Nur der teilweise zugewachsene Außengraben und das Torhaus erinnern noch an die ehemalige Burg.

Es seien die Worte angefügt, die der verdiente Lengericher Heimatforscher Pastor H. Meier an das Ende seiner Arbeit setzte: "Der Salhof sieht auf eine lange, bewegte Vergangenheit zurück: einst in ältester Zeit Sitz eines Edelings, dann ein Pachthof, auf dem ritterliche Geschlechter saßen, und Grundbesitz des Klosters Werden, seit dem Mittelalter eine feste Burg. Dankbar gedenken wir dieser Geschichte, die uns so viele Nachrichten über Dorf und Bauerschaft aufbewahrt hat."



Dünheuft



Quelle: s.u.


Quelle:
Unsere Heimat Heft 9 - Ritter- und Edelsitze unserer Heimat, Verlag R. van Acken, Lingen / Ems 1954, S. 399 - 404

Quelle: www.heimatarchiv.de zurück