Die letzten Wölfe im Emsland

Quelle: s.u.

Echte Wölfe kennen wir allenfalls noch aus Büchern oder von unserem letzten Zoobesuch, daß auch im Emsland in früheren Jahren diese Tiere noch Schrecken verbreiteten, mag nachstehender in der Osnabrücker Volkszeitung vor vielen Jahren veröffentlichter Artikel über die Vertilgung der letzten Wolfsfamilie in Deutschland uns ins Gedächtnis zurückrufen.


Es heißt in diesem Artikel:

Es war in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, da marschierte Janbernd Dr. mit dem Flegel unterm Arm gen Gersten bei Lingen. Er wohnte auf dem Pennighausen.

Das Wiesen- und Waldgelände, welches er durchschritt. bot einst 400 Schweinen beste Eichelmast, bietet doch noch jetzt in Bezug auf Wege ein wunderliches Durcheinander, aber Janbernd kannte sich aus. Viel viel Gehölz, manche kleine Wiese, Rieddickichte, verwunschene Tümpel, kleine Erlenhaine und struppige Weidenbüsche, hier war die Heimat unserer letzten vollen Wolfsfamilie.

Ihr Vertilger, Janbernd Dr., ruht längst unter dem kühlen Rasen und gern erzählt man noch von diesem Abenteuer. Als Janbernd eines Tages nichtsahnend durch dieses Dickicht ging, gewahrte er plötzlich ein Gewinsel und Geknurr, fast ein Bellen unter einem Dornenbusch und Birkengesträuch. Bei näherem Zusehen glaubte er, sechs junge Hunde vor sich zu haben.

"Nee, Nee" sagte Janbernd verwundert, "das sind keine Hunde! Die Biester schnappen mir ja nach den Füßen und sehen so rostrot und hager aus. Das ist etwas anderes. Dies müssen Wölfe sein !!" stellte er fest. Er wollte mit dem Flegel dreinschlagen, traute sich aber nicht, weil er Angst vor den Alten hatte.

Schnell lief er zum Uhlenbauer, dem alten Göhmann. "Buur", rief Janbernd fast außer Atem, "ich habe ein Nest mit jungen Wölfen gefunden. Gebt mir euer Pferd und einen Sack, dann bringe ich sie her". Gesagt, getan, Janbernd kam nach kurzer Zeit mit den jungen Wölfen heim. Kaum hatte er hinter sich das Dielentor geschlossen, da flogen zwei schwere Körper vor die Tür. Wutschnaubend strichen die Alten, die ihre Jungen auf der Diele wahrgenommen hatten, um das Haus herum. Janbernd holte den alten Hinterlader, der nach damaliger Art stets schußbereit am Bettpfosten hing.

Er eilte zum Kornbaden und erschoß damit erst einen der Wölfe, und zwar vom Giebelfenster aus. Dann mit einer umständlichen Ladung auch noch den anderen. Dann sandte er die Jungen nach, froh der vollbrachten Tat.

Janbernd Dr. war der Held des Tages, und man vermerkte damals dieses Ereignis als die letzte Kunde von einer vollen Wolfsfamilie in Deutschland.


Am Freitag dem 20. Februar 1931 erschien in den "Lengericher Nachrichten"
folgende Ergänzung zu dem obigen Artikel:

Quelle: s.u.

Altes Backhaus in Gersten

Nachdem nun die letzten Wölfe zur Strecke gebracht waren, wurde beschlossen, daß sich der Uhlenhofbauer von dem einen alten Wolf eine Bettvorlage anfertigen ließe. Das Fell des zweiten alten Wolfes erhielt die Großmagd (Haushälterin) - eine Frau war zu der Zeit nicht auf dem Uhlenhofe - die sich daraus einen Pelz anfertigen ließ. Als nun die Großmagd den Pelz umlegte, war sie zu einer "Dame" geworden. Allerdings war es in der Karolinenzeit, und ob zu den weiten Kleidern ein Wolfspelz paßte, davon möge sich jeder selbst ein Bild machen. Jedenfalls verliebten sich aber viele "Jungens" in die Großmagd mit dem Wolfspelz und besonders war es Dr. Janbernd, der vor allen den Vorzug erhielt. In Kürze sollte die Hochzeit sein, aber die Mutter wollte, wie es sooft im Leben geht, ihre Zusage nicht geben, vielleicht wohl aus Neid nicht, weil dann ihre Tochter Frau Dr. und sie selbst nur eine Heuermannsfrau sei. Doch der mütterliche Einspruch half nichts. Bei Nacht und Nebel verschwand Dr. Janbernd und die Trägerin des eleganten Pelzes in der Richtung gen Holland. Wie man später hörte, sollen die beiden in einem Orte an der Grenze einen schwunghaften Pelzhandel betrieben haben.

Boshafte Zungen behaupten jedoch, sie hätten Schmuggel mit Kaffee, Tabak usw. geführt. Über den wahren Verbleib hat man niemals etwas erfahren.

Im Gegensatz zu den beiden alten Wölfen wanderten die Jungen auf den Backhausboden des Uhlenhofes. Bemerkt sei noch, daß die dicke Backhaustür noch heute auf dem Hof erhalten ist und in ihrer Art wohl einzig darsteht. Sie stammt aus dem Jahre 1600 - die Jahreszahl ist noch heute zu lesen - und ist aus einem Stück Holz angefertigt. Dabei ist die Tür 1,20 Meter breit und etwa 12 Zentimeter dick. Erwähnenswert ist ferner noch, daß dieselbe von dem verbrannten "Spieker" des Uhlenhofes übrig geblieben ist und in folge ihrer Schwere jedesmal beim Öffnen in den Angeln knarrt. Die Tür wurde mit zwei 80 Zentimeter langen, sehr starken Schlüsseln verriegelt. Die Schlüssel werden noch heute auf dem Uhlenhofe aufbewahrt.

Es war in der Zeit, in der man aus der Zichorie, Suterei genannt, noch Zichorienkaffee herstellte. So geschah es euch auf dem Uhlenhofe. Dort wurden die Zichorien nach alter Sitte auf dem Backhausboden getrocknet Doch in diesem Jahre fingen die Heuerleute und Knechte, die diese Arbeit zu verrichten hatten, an zu überlegen, was man mit den jungen Wölfen auf dem Backhausboden anfangen sollte. Dieselben würden bald verfaulen und stinken. Man überlegte hin und her und kam zu dem Resultat, die Wölfe mit den Zichorien auf die Dörre zu legen, damit sie durch und durch trocken würden. Gesagt - getan. Zichorien und Wölfe wurden von Zeit zu Zeit umgelegt, so daß beide vorzüglich trockneten. In diesem Jahre soll der Kaffee, wie von Bawinkel zu der Zeit berichtet wurde, ganz vorzüglich geschmeckt haben.

Quelle: s.u.

Altes Heuerhaus in Gersten

Während die Zichorien von Jahr zu Jahr zum Verkauf wanderten, blieben die Wölfe auf dem Backhausboden hängen, und warteten der Dinge, die da kommen sollten. Der Sage nach haben die Wölfe am Jahrestag ihres Todes jedesmal gebellt und mit dem Schwanz gewedelt. So geschah es bis zum Jahre 1869. In einer stürmischen Novembernacht dieses Jahres verschwanden die Wölfe vom Backhausboden des Uhlenhofes. Man glaubte zum Wohnhause hin eine Spur zu finden. Doch fand man die Wölfe daselbst nicht, wohl aber einen kleinen, unbekannten Menschen von sonderlichem Aussehen. Derselbe hat sich zu einem großen Mann entwickelt, und sieht noch heute dann und wann auf dem Backhausboden nach dem Rechten. Auch stellt sich derselbe vor den Giebel des Uhlenhofes hin und ließt mit deutlicher Stimme die Giebeleinschrift: "Deine Ehefrau wird sein wie ein fruchtbarer Weinstock an den Seiten Deines Hauses. Deine Kinder werden sein wie junge Oelpflanzen um Deinen Tisch herum."

Wo die Wölfe geblieben sind, hat man niemals erfahren können. Man sagt, daß Dr. Janbernd sie wohl gestohlen haben würde. Hatte er doch seiner Zeit, mit einem Dreschflegel bewaffnet, die Wolfsjagd mitgemacht, und war er nunmehr der einzige Fremde geworden, der um die Wolfsgeschichte auf dem Uhlenhofe wußte.


Quelle:
Lengericher Geschichte(n), Nr. 5, Heimatverein für das alte Kirchspiel Lengerich e.V., Lengerich 1999, S. 2-4

Quelle: www.heimatarchiv.de zurück